Du möchtest abnehmen und wiegst dich deshalb regelmäßig? Natürlich kannst du mit einer Waage dein Gewicht am besten kontrollieren, aber oft artet das ständige Wiegen in Stress aus und führt zu unnötigem Druck. Ich verrate dir, ob regelmäßiges Wiegen überhaupt sinnvoll ist und was die Zahl auf der Skala in dir auslöst.
Morgens, mittags, abends – für viele Menschen ist die Waage ein ständiger Begleiter. Möchte man Gewicht verlieren, vergeht oftmals kein Tag, ohne dass das aktuelle Gewicht überprüft wird. Nicht selten auch mehrmals am Tag.
Auch ich stand bereits in jungen Jahren regelmäßig auf der Waage. Ich habe lange Zeit Judo gemacht, wobei die Einteilung bei Turnieren in Gewichtsklassen erfolgte. Dementsprechend wurde mein Gewicht immer wieder von meinem Trainer kontrolliert und auch ich stellte mich immer häufiger zu Hause auf die Waage.
Was zunächst nur Mittel zum Zweck war (also das ständige Wiegen für die Teilnahme an Wettkämpfen) wurde mit der Zeit zu einer echten Gewohnheit.
Dazu kam, dass ich mich im Laufe der Jahre immer mehr mit dem vermeintlichen Schönheitsideal und dem Idealgewicht beschäftigte – vor allem in der Teenagerzeit.
Beeinflusst von Medien, Schulfreunden und Zeitschriften, wurde das Wiegen als Selbstkontrolle immer wichtiger – wog ich zu viel? War ich gut genug? Wiege ich zu viel?
Dreimal am Tag auf die Waage steigen, immer vor und nach dem Essen wiegen, mit und ohne Klamotten, tägliche Listen führen. Das Verhalten wurde immer stärker von der kleinen Zahl auf der Skala geprägt.
Ich war sehr auf die Waage fokussiert. Heute weiß ich jedoch, dass das tägliche Wiegen auch seine Schattenseiten mit sich bringt und unter anderem auch negative Einflüsse auf unser Ernährungsverhalten haben kann. Ich werfe daher einen Blick hinter die Kulissen des Wiegens und möchte zwei zentrale Fragen beantworten:
Es ist verständlich, dass die Waage für viele Menschen eine wichtige Rolle spielt. Schließlich gibt sie Kontrolle.
Der Mensch ist versessen darauf, seine Erfolge zu messen. Kaum etwas befriedigt uns mehr, als Fakten, Zahlen und messbare Ergebnisse.
Diese Ergebnisse liefert dir die Waage täglich.
Zusätzlich motiviert es unheimlich, wenn die Zahl auf der Skala regelmäßig sinkt. Du fühlst dich auf dem richtigen Weg, erhältst Bestätigung und nicht selten verstärkt das deine Motivation. Du legst noch eine Schippe drauf, machst noch mehr Sport und verbietest dir noch mehr Lebensmittel, denn dadurch kommen die weiteren Erfolge auf der Waage umso schneller.
Doch natürlich gibt es auch die Kehrseite.
Obwohl du dich besonders gut ernährst und ständig Sport treibst, kann es passieren, dass deine Waage am Ende der Woche trotzdem die gleiche Zahl anzeigt (oder womöglich sogar steigt!), dann setzt du das mit einem Misserfolg gleich.
Frustration ist dabei quasi vorprogrammiert.
Die Zweifel kommen. Wofür musst du dich anstrengen, wenn es am Ende sowieso nichts bringt? Weshalb verzichten, wenn es keinen Fortschritt gibt?
Nicht selten beginnt dann die Phase des Frustessens – jetzt ist eh alles egal.
In gewisser Weise entscheidet die Waage also über dein Schicksal – sinkt die Zahl auf der Waage, motiviert es dich. Steigt sie hingegen, zieht es dich runter.
Doch ist es wirklich so wichtig, welche Zahl beim Wiegen erscheint? Sollte die Waage nicht vielmehr nur ein Mittel zum Zweck sein? Und wie viel kann die Waage wirklich aussagen?
Solltest du eine gesunde Beziehung zur Waage haben, und dich durch das Ergebnis kaum in deinem Handeln beeinflussen lassen, dann kannst du die nachfolgenden Punkte überspringen.
Fühlst du dich jedoch durch das ständige Wiegen eingeschränkt, dann lies weiter und erfahre welche Auswirkungen das ständige Wiegen haben kann:
Deine Waage zeigt nur eine Zahl an. Über deinen tatsächlichen Körper sagt das aber nichts aus.
Werfen wir einen Blick auf den Vergleich zwischen einem Bodybuilder und einer übergewichtigen Person.
Stellen sich beide auf die Waage kann die Zahl sehr ähnlich sein, vielleicht sogar identisch.
Der Bodybuilder hat jedoch einen sehr hohen Muskelanteil – und Muskeln sind schwer. Er ist dabei gesund, fühlt sich fit und seine Optik gefällt ihm.
Die übergewichtige Person hingegen hat weniger Muskeln, eventuell bereits erste Krankheitserscheinungen und im Spiegel sieht sie oder er sich möglicherweise nicht gerne an.
Auf der Waage sind beide gleich, doch die Körperzusammensetzung ist völlig unterschiedlich.
Richten wir uns ausschließlich nach der Waage, könnte das Ergebnis also schnell fehlinterpretiert werden.
Bevor du dich also blind auf die Zahl konzentrierst und verbissen eine Gewichtsabnahme verfolgst, berücksichtige auch dein Spiegelbild und dein eigenes Wohlbefinden.
Die häufige Kontrolle des Gewichts kann richtig Stress verursachen. Du setzt dir andauernd Ziele, denen du hinterherjagst. Du befindest dich in einem ständigen Wettkampf mit dir selbst.
Klappt es nicht so, wie gewünscht, dann ergreifst du extreme Maßnahmen: Du quälst dich jeden Tag ins Fitnessstudio, obwohl dein Körper nach Pause schreit und isst noch weniger.
Du willst dein Ziel um jeden Preis erreichen, dadurch steigt der Druck enorm. Doch Stress ist bekanntlich alles andere als gut für deinen Körper und vor allem bei der Gewichtsabnahme ein echtes Hindernis.
Steht dein Körper unter Stress, schüttet er das Stresshormon Cortisol aus. Dieses Hormon beeinflusst deinen Körper in vielen Bereichen, unter anderen hemmt es deinen Stoffwechsel und blockiert bestimmte Areale in deinem Gehirn.
In meinem Beitrag „Nie wieder Stressessen – 4 wirkungsvolle Techniken, die dir helfen“ kannst du noch mehr über Cortisol erfahren und wie es Einfluss auf dein Essverhalten nimmt.
Dieser Punkt ist vielen bekannt, wird aber trotzdem regelmäßig ausgeblendet. Jeder Körper unterliegt Gewichtsschwankungen, die du nicht beeinflussen kannst.
Vor allem Frauen können durch die Hormone während der Periode sogar zwei bis drei Kilogramm mehr wiegen. Dabei handelt es sich weitestgehend um Wassereinlagerungen. Auf der Waage jedoch sieht es einfach nur nach „mehr“ aus.
Beim Wiegen fühlst dich sofort völlig entmutigt und wie ein Versager. Dabei kannst du das überhaupt nicht beeinflussen.
Vielleicht treffen die oben genannten Punkte auf dich zu und die Waage entscheidet auch in deiner Wahrnehmung über Erfolg oder Misserfolg. Umso wichtiger ist es dann für dich zu hinterfragen, was dein eigentliches Ziel ist.
Die Zahl auf deiner Waage? Oder doch eher, dass du dich in deinem Körper wohlfühlst? Und lässt sich dieses Gefühl überhaupt von einer Zahl abhängig machen?
Je häufiger du dich wiegst und je mehr Bedeutung das Ergebnis auf der Waage bekommt, desto eher wird das anfängliche Hilfsmittel zum Hauptziel. Du bist so auf eine bestimmte Zahl fokussiert und beachtest nicht mehr, wie sich das für dich anfühlt.
Beim Abnehmen ist vor allem der Weg das Ziel. Mit jedem Kilo verändert sich dein Körper.
Wenn du dich aber vom Wiegen abhängig machst, dann merkst du das nicht. Du siehst nur: Ich bin immer noch nicht bei X Kilo! Du machst dir Vorwürfe, wenn es nicht schnell genug geht und siehst deine Zwischenerfolge nicht – nur wegen einer Zahl auf deiner Waage!
Sich nicht mehr von der Waage beherrschen zu lassen, kann ein langer Weg sein.
Auch bei mir hat es lange gedauert bis ich davon loskam mich täglich zu wiegen. Letztendlich hat bei mir eine mehrmonatige Reisen ohne Waage geholfen.
Obwohl ich mich nicht mehr wie besessen Wiegen konnte, habe ich trotzdem nicht vergessen, warum ich abnehmen wollte. Ich habe erkannt, dass es keine Waage braucht, die mir täglich bestätigt, ob ich 300 Gramm verloren habe oder nicht.
Wenn du dich gesund ernährst und regelmäßig Sport treibst, dann ist Abnehmen die logische Konsequenz. Das Wiegen beschleunigt diesen Prozess nicht.
Zwar gibt es einige Studien, die belegen, dass Menschen durch regelmäßiges Wiegen größere Erfolge beim Abnehmen haben.
Allerdings funktioniert das meistens nur kurzfristig. Du setzt dir ein Ziel, stellst Ernährung und Bewegung um und kontrollierst deinen Fortschritt. Durch den messbaren Erfolg steigt deine Motivation, wodurch du noch größere Erfolge erzielst.
Was jedoch auch stimmt, ist, dass Leute, die sich regelmäßig wiegen, auch schnell wieder demotiviert sind, wenn die Zahlen nicht stimmen. Das heißt, die Abnahme ist meist nicht nachhaltig.
Dauerhaft Abnehmen ist ein Prozess, dabei sollte die Motivation intrinsisch sein und nicht ausschließlich vom Erfolg auf der Waage abhängig sein.
Ob du die Waage langfristig abschaffst oder nicht, musst du selbst entscheiden. Hast du eine gute Beziehung zum Wiegen und kontrollierst damit ab und zu dein Gewicht oder die Tendenz deiner Abnahme, dann ist das völlig in Ordnung.
Löst die Waage aber Stress in dir aus und diktiert deine Handlungen, dann rate ich dir zu anderen Hilfsmitteln, um deinen Gewichtsverlust zu überprüfen.
Wirf einen Blick in den Spiegel! Ein Vorher-Nachher-Foto hilft dir, die Unterschiede wirklich zu sehen. Dabei reicht es völlig, wenn du es einmal im Monat machst.
Oder nutze ein Kleidungsstück um deinen Fortschritt zu dokumentieren. Wird die Hose beispielsweise immer weiter, ist es ein klares Zeichen dafür, dass dein Körper sich verändert.
So kannst du deinen Abnahmeprozess unterstützen und wirst nicht ständig durch eine Zahl und durch tägliche Gewichtsschwankungen demotiviert.
Wie stehst du zum Wiegen? Belastet es dich oder ist es für dich eine sinnvolle Möglichkeit, dein Gewicht zu kontrollieren? Ich freue mich auf deinen Kommentar.
2 Comments
Ich bin seit Jahren bekennender täglich-Wieger. Ich weiß um die Schwankungen bis zu 2 kg von einem Tag auf den nächsten und kann damit umgehen. Notiert wird das Gewicht wöchentlich (bei WW). Ich bin natürlich ein wenig enttäuscht, wenn an einem Tag eine höhere Zahl steht als am Tag davor, aber es zieht mich nicht runter, denn der „jetzt ist es auch egal“-Satz hat bei mir kein Zuhause mehr.
Liebe Brigitte,
schön zu lesen, dass du einen Weg mit dem Thema Wiegen gefunden hast, der sich für dich richtig anfühlt und du dich nicht runterziehen lässt 🙂
Ganz liebe Grüße,
Bastienne