Futterneid begleitet viele Menschen in ihrem Alltag. Es gibt zahlreiche Situationen, in denen du nur deswegen zum Essen greifst. Die Folge: du isst mehr als dein Körper braucht. Ich erkläre dir, wie Neid entsteht, warum es ein natürliches Gefühl ist, was du sogar als Ansporn nutzen kannst und wie du in Zukunft leichter damit umgehen kannst.
Warum sieht das Essen auf dem Teller deines Partners eigentlich immer irgendwie besser aus als deins? Warum willst du häufig das essen, was andere vor sich haben, obwohl du eigentlich satt bist? Was ist Neid eigentlich?
Viele kennen es, keiner will es zugeben: das Gefühl, das haben zu wollen, was jemand anderes besitzt. Dabei können das sowohl materielle Dinge, wie ein schönes Haus oder das schicke Auto, als auch ein bestimmter Lebensstil, wie zum Beispiel die glückliche Familie mit zwei Kindern, sein.
Sehr häufig schleicht sich dieses Gefühl auch beim Thema Essen ein. Unabhängig von Hunger oder Sättigung möchten wir instinktiv essen, weil jemand anderes isst.
Dabei empfinden viele das Gefühl von Neid als etwas Negatives. Wir ärgern uns innerlich, schämen uns auch ein wenig dafür und haben Angst, von unserem Umfeld verurteilt zu werden.
Daher wollen wir Neid so schnell wie möglich wieder loswerden. Doch einfach ist das nicht.
Um besser mit Neid umzugehen, müssen wir uns zunächst anschauen, woher dieses Gefühl kommt und warum wir es als negativ wahrnehmen.
Wie in vielen Dingen – vor allem in der Ernährung – betrachten wir dazu unsere evolutionäre Geschichte.
Bereits vor Jahrtausenden neigten unsere Vorfahren dazu, mehr haben zu wollen, als sie eigentlich brauchten. Dieser Konkurrenzgedanke hatte ein vorrangiges Ziel: uns besser dastehen zu lassen als die Leute in unserem Umfeld. Wir wollten erfolgreicher sein und andere damit beeindrucken. An erster Stelle: einen potenziellen Partner.
Hier spielt der Urinstinkt eine wichtige Rolle. Wir möchten uns unbewusst fortpflanzen und unsere Art erhalten, dafür brauchen wir selbstverständlich den bestmöglichen Partner.
Daher haben sich bereits unsere Vorfahren übertrumpfen wollen. Dieser Neid war also in gewisser Weise ein Motivator und Ansporn, sich selbst zu verbessern.
Ist Neid also immer negativ?
Betrachtet man unsere Evolution, ist Neid nicht immer schlecht. Es gibt auch heute zwei Arten.
Gönnst du deinem Gegenüber etwas nicht, spricht man von Missgunst oder schwarzem Neid. Hat dein Nachbar beispielsweise ein schönes Haus, das du ihm aber verübelst, handelt es sich um ein negatives Gefühl, das dich nicht weiterbringt.
Bist du jedoch durch das Haus angespornt, deine Lebenssituation zu verändern und dir vielleicht einen besseren Job zu suchen, damit du dir auch ein schönes Haus leisten kannst, dann spricht man vom weißen Neid.
Diese Art des Neids ist positiv, denn du entwickelst dadurch einen Ehrgeiz, der dich deinen Wünschen und Zielen näherbringt.
Obwohl wir in einem Land leben, indem es uns grundsätzlich nicht an Nahrung mangelt, kennen viele das Gefühl von Futterneid.
Auch hier greift ein Urinstinkt: Wer ausreichend Nahrung hat, wird überleben. Hat jemand anderes mehr zu essen oder etwas Schmackhafteres, entfacht der Konkurrenzkampf in uns.
Die Vernunft sagt dir zwar, dass du dieses oder jenes nicht brauchst, aber emotional möchten wir trotzdem immer wieder zum Essen greifen, wenn sich uns die Chance bietet.
Wie bei vielen anderen Themen, die ihren Ursprung in Emotionen haben, hilft, ein Bewusstsein für eine bestimmte Handlung zu schaffen. Wenn du klar erkennst, warum du gerade Futterneid empfindest, kannst du leichter besonnen darauf reagieren.
Daher ist es wichtig zu klären, warum wir neidisch auf das Essen anderer sind. Warum fühlen wir, was wir fühlen?
Durch meine vielen Coachings konnte ich mit der Zeit viele Gründe für Futterneid erkennen. Ich möchte dir gern anhand von drei prägnanten Beispiele zeigen, wann dieser Neid am häufigsten entsteht:
Du gönnst dir deinen Lieblingspudding beim Einkaufen, hebst ihn dir aber für später auf. Nach einem langen und stressigen Arbeitstag wirst du dich damit belohnen. Den ganzen Tag freust du dich auf den Pudding und kannst es kaum erwarten, endlich nach Hause zu kommen.
Umso schlimmer ist die Enttäuschung, wenn diese heißersehnte Belohnung am Abend gar nicht mehr im Kühlschrank auf dich wartet. Ganz klare Situation von Futterneid.
Vor allem, wenn du mit Geschwistern aufgewachsen bist, ist dir diese Situation sicher nicht fremd. Aber auch der Mitbewohner oder der eigene Partner wird gern mal zum Kühlschrank Dieb.
Für dieses Gefühl der Enttäuschung ist vor allem das limbische System verantwortlich. In meinem Blogbeitrag „Mit dem Belohnungssystem Essattacken kontrollieren“ gehe ich noch näher darauf ein.
Kurz gesagt: Wenn du dir etwas als Belohnung einplanst, trägst du eine gewisse Erwartungshaltung in dir. Es werden daher schon Glückshormone ausgeschüttet, was das Gefühl der Vorfreude in uns auslöst.
Die Belohnung bleibt jedoch aus – deine Schwester hat dir den Schokopudding weggefuttert – und die Enttäuschung ist riesig.
Diese Art des Futterneids kennen Klischeehaft häufig Frauen, die in einer Partnerschaft mit einem Mann leben.
Von Natur aus haben Frauen einen geringeren Muskelanteil, sind oft kleiner und schmaler gebaut. Daher haben sie auch einen niedrigeren Energieverbrauch.
Lebst du nun mit einem Mann zusammen, gleicht sich die Portionsgröße mit der Zeit oftmals an. Vor allem, wenn dein Sättigungsgefühl bereits unter Diäten gelitten hat und dein natürlicher Stopp nicht gut ausgeprägt ist.
Dein Partner kann also ohne Probleme zwei Teller Nudeln essen und nimmt davon kein Gramm zu. Bei dir sieht die Sache jedoch ganz anders aus.
Meistens kommst du irgendwann an den Punkt, an dem du genau das feststellst und dementsprechend deine Portionen anpassen möchtest. Doch ganz schnell entwickelt sich dadurch ein Gefühl von Verzicht.
Logische Folge: Futterneid entsteht.
Vor allem, wenn ihr häufig gemeinsam eure Mahlzeiten einnehmt. Während dein Partner noch fröhlich weiterisst, sitzt du nach deiner Portion untätig am Tisch und schaust ihm beim Essen zu. Es ist nicht verwunderlich, dass du doch noch mal zum Nachschlag greifst.
Diese Situation kennst du sicher auch: Du hast bereits unterwegs etwas gegessen, sei es auf der Arbeit oder das schnelle Brötchen vom Bäcker auf dem Weg nach Hause. Zuhause angekommen stellst du fest, dass dein Partner gekocht hat. Es riecht so verlockend nach genau der Pizza, auf die du schon ewig so richtig Lust hast.
Eigentlich hast du keinen Hunger mehr, aber vielleicht bleibt von der Pizza ja nichts mehr übrig, was du später zu dir nehmen kannst?
Es kommt also wieder zum Futterneid.
Du möchtest nichts verpassen und isst. Obwohl du überhaupt keinen Hunger hast, greifst du zu, da du befürchtest, dass morgen nichts mehr für dich da ist.
Die drei Beispiele zeigen deutlich, warum du durch Futterneid automatisch mehr isst.
Die Enttäuschung über den geklauten Pudding versuchst du mit einem Gang zur Vorratskammer zu kompensieren. Doch die Erwartungshaltung ist enorm. Fast gar nichts kann den Pudding ersetzen, daher musst du dich durch viele Sachen durchprobieren. Befriedigen tut dich aber nichts.
Versuchst du deine Portionsgrößen zu verringern, begleitet dich schnell das Gefühl von Mangel und Verzicht. Daher erwischst du dich immer wieder dabei, doch zur zweiten Portion zu greifen.
Auch das dritte Beispiel zeigt deutlich, dass du mehr isst, als du brauchst. Schließlich bist du schon satt Zuhause angekommen und brauchst das Stück Pizza nicht. Aber statt dir eine Portion zur Seite zu legen, isst du lieber direkt.
Keine der drei Situationen hat etwas mit echtem Hunger zu tun.
Futterneid ist ein sehr instinktives Gefühl. Seit jeher steckt es in uns und es nicht einfach, dagegen anzusteuern.
Allerdings hat sich unser Gehirn über die Jahrtausende enorm weiterentwickelt und es sind heute bestimmte Gehirnareale ausgeprägter als bei unseren Vorfahren.
Dazu gehört vor allem der Teil, der für unser bewusstes Handeln verantwortlich ist.
Die Reflexion: Was brauche ich jetzt und was brauche ich nicht? Das achtsame Hinterfragen und Wahrnehmen deiner Bedürfnisse und deines Handelns.
Achtsamkeit meint, die bewusste Wahrnehmung im hier und jetzt.
Dieses Areal im Gehirn, das dafür zuständig ist, kannst du übrigens ähnlich trainieren wie einen Muskel. Je häufiger du Gebrauch davon machst, desto feiner werden die Verknüpfungen in diesem Teil und desto einfacher fällt es dir, in Zukunft achtsam zu reagieren.
Das hilft dir natürlich auch beim Futterneid. Du lässt dich in einer bestimmten Situation nicht so leicht von deinen Emotionen leiten, sondern reflektierst. Außerdem hilft es dir dabei, deine körperlichen Bedürfnisse wahrzunehmen.
Ist es wirklich so schlimm, dass der Pudding nicht mehr im Kühlschrank ist? Du kannst dir einen neuen im Supermarkt kaufen.
Vielleicht brauchst die zweite Portion gar nicht. Wenn du achtsam auf deine Sättigung achtest, wirst du spüren, wann du genug hast. Unabhängig davon wie viel dein Partner isst.
Du isst aus Angst, dass dir deine Lieblingsspeise weggegessen wird? Kommuniziere mit deinen Mitbewohnern, was dein Essen ist oder versehe es vielleicht sogar mit einem großen Zettel und deinem Namen.
Bist du achtsam, findest du leichter Lösungsstrategien für Situationen, in denen du sonst zu mehr Essen greifst.
Daher lautet meine Antwort auf Futterneid: Trainiere deine Achtsamkeit!
Futterneid ist kein Gefühl, mit dem du allein dastehst. Doch trainierst du deine Achtsamkeit, kannst du in Zukunft besonnener darauf reagieren. Ich hoffe, ich konnte zu diesem Thema ein wenig Klarheit schaffen. Gern lese ich deine Erfahrungen mit Futterneid. Vielleicht hast du noch weitere Strategien, die dir helfen?
1 Comment
Danke für diesen aufschlussreichen Artikel.
Kann man auch Futterneid als Trauma entwickeln? Wenn man zb. in anderen Ländern o. in ärmlicheren Verhältnissen aufwächst und selten an essen kommst. Später dadurch unbewusst dieses Trauma immer wieder im Gehirn abgespielt wird obwohl du nun immer genug hast – mehr isst ?