Ist das gemeinsame Essen eigentlich schlecht fürs Essverhalten? Essen in Gesellschaft stärkt Beziehungen und ist für viele ein wichtiger Bestandteil im Alltag. Ob wir allein oder in Gesellschaft essen kann allerdings großen Einfluss auf unser Essverhalten haben. Ich zeige dir, warum sich dein Ernährungsverhalten in Gesellschaft verändert und was du beachten solltest, damit du das Essen in Zukunft wieder richtig genießen kannst, auch wenn du Familie und Freunde um dich hast.
Das gemeinsame Essen verliert in Deutschland zunehmend an Bedeutung. Immer seltener setzen sich Familien und Paare für ihre Mahlzeiten noch an einen Tisch und nehmen die Mahlzeit gemeinsam zu sich.
Überraschend ist das nicht. Wir leben in einer Leistungsgesellschaft. Ganztagsschule, Uni, Arbeit – die Tagesabläufe sind unterschiedlich und es bleibt immer weniger Zeit, um wenigstens einmal am Tag gemeinsam zu essen.
Während diese Entwicklung hierzulande immer weiter fortschreitet, hat das gemeinsame Essen anderswo noch eine größere Bedeutung. Schaut man sich Nachbarländer wie Spanien, Frankreich oder Italien an, sieht man, dass es auch anders geht. Die Lokale sind voll und Großfamilien treffen sich auch ohne triftigen Grund zum gemeinsames Abendessen.
Aber: Gemeinsames Essen birgt auch einige Gefahren, die unser Essverhalten negativ beeinflussen können.
Eins vorweg: Ich möchte dir nicht vom Essen in Gesellschaft abraten! Ich möchte jedoch dein Bewusstsein auf die Verhaltensweisen lenken, die sich beim gemeinsames Essen möglicherweise verändern.
Vielleicht hast du das bereits erlebt: Du gehst gemeinsam mit deinen Freunden und Kollegen in die Mensa oder Kantine essen. Während die Männer abwägen, ob es heute Schnitzel oder Lasagne zum Mittag gibt, gehen die Frauen zielstrebig Richtung Salatbar.
Männer scheinen das deftige Essen zu wählen, während Frauen sich oftmals (vor allem in Anwesenheit von Männern) für die “Ladylike” Variante entscheiden.
Gehst du hingegen als Frau allein in der Pause, fällt die Entscheidung für das Schnitzel und gegen das „Grünzeug“ leicht. Du isst worauf du Lust hast und wonach dein Körper verlangt – auch wenn möglicherweise die Sorge bleibt, es könnte dich jemand dabei „erwischen“.
Die Unterscheidung zwischen dem deftigen und großzügigen Männeressen und der leichten Kost für Frauen wird unter anderem stark durch die Medienwelt geprägt.
Während in der neuen Bratwurst Werbung vorrangig Männer auftauchen, die stolz ihre üppige Portion in die Kamera halten, werden Frauen gerne für Werbespots in Szene gesetzt, welchen leichte und gesunde Lebensmittel präsentieren.
Dies suggeriert, dass Männer guten Gewissens zu deftigen Gerichten greifen können, während Frauen sich “Ladylike” ernähren sollten – stets gesund und bewusst.
Durch das ständige Konsumieren solcher Stereotypen, verankert sich dieses Bild schnell in unseren Köpfen.
Vor allem beim gemeinsamen Essen kann das dazu führen, dass wir dem erlernten Rollenbild entsprechen möchten und unser Ernährungsverhalten den gesellschaftlichen Klischees anpassen – auch wenn diese Wahl nicht immer dem entspricht wonach unser Körper verlangt.
Beeinflusst Gesellschaft beim Essen auch die Portionsgröße? Viele schielen beim gemeinsamen Essen zwischendurch immer wieder rechts und links auf den Teller der anderen und vergleichen die Portionen mit der eigenen. Isst der Sitznachbar mehr oder weniger als ich?
Sitzt du neben einer schlanken Person, die eine kleine Portion isst, fühlst du dich möglicherweise schlecht wegen deines vollgeladenen Tellers und passt deine Portionsgröße umgehend an. Isst dein Sitznachbar hingegen eine große Portion ist aber trotzdem schlank, signalisieren dir dies, dass du viel essen kannst und trotzdem schlank bleibst. Grünes Licht, dass auch du ohne schlechtes Gewissen nochmal zulangen darfst.
Doch auch folgendes Szenario kann auftreten: Du beobachtest eine Person, die etwas mehr auf den Hüften hat und eine große Portion isst. Du glaubst einen Zusammenhang zwischen der Figur und der großen Portion zu erkennen und zügelst dich sofort.
Ein weiterer Grund der deine Portionsgröße beim gemeinsamen Essen beeinflusst ist der Futterneid. Isst dein Gegenüber eine große Portion, kann dies das Bedürfnis in dir auslösen, eine ähnlich große Portion zu essen, auch wenn dein Hunger eigentlich klein ist.
Es fällt uns also Grundsätzlich in Gesellschaft schwieriger auf unsere eigenen körperlichen Signale zu hören, da wir uns durch dass Essverhalten unserer Freunde oder Familienmitglieder unbewusst beeinflussen lassen.
Studien zufolge essen wir bei einem gemeinsamen Abendessen mit Freunden oder Familie tatsächlich bis zu 40 % mehr, als wir sonst zu uns nehmen würden. Das ist enorm! Aber auch verständlich.
Triffst du dich zu einer gemütlichen Mahlzeit, dann bist du in der Regel nicht nur durch nette Gespräche abgelenkt, sondern verbringst auch deutlich mehr Zeit am Tisch, da man sich schnell verquatscht.
Wenn dann noch der Topf in Reichweite steht und dein Teller leer ist, dann ist die Hürde klein nochmal zum Löffel zu greifen, obwohl du eigentlich keinen Hunger mehr hast.
Betrachtet man nüchtern die oben genannten Gründe, ist vom gemeinsames Essen eher abzuraten.
Du solltest nicht in Begleitung des anderen Geschlechts essen, weil du dann dein Essverhalten anpasst.
Du solltest nicht mit schlanken oder korpulenten Menschen essen, weil du dann deine Portionsgröße verfälschst.
Und in geselliger Runde mit Freunden oder Familie solltest du erst recht nicht essen, weil du dann unweigerlich mehr zu dir nimmst, als du brauchst.
Wie du dir aber sicher denken kannst, ist das nicht die Message, die ich dir mitgeben möchte.
Im Gegenteil: Ich bin ein großer Fan vom gemeinsam Essen, denn durch angenehme Gesellschaft verknüpfen wir auch mit der Ernährung positive Aspekte. Durch Diäten, strenge Regeln und auch die Industrie leidet dieser Aspekt häufig und wir sehen Nahrung als etwas Schlechtes, was uns dick macht.
Beim gesellschaftlichen Essen lernst du wieder, das Essen richtig zu genießen.
Da du nun aber weißt, wie sich dein Ernährungsverhalten beim gemeinsamen Essen verändert, kannst du auch bewusst dagegenwirken.
Höre auf deinen Körper und seine Bedürfnisse! Ist dir heute nach den Nudeln in der Kantine, dann bestelle sie auch. Nimm jeden Bissen bewusst wahr und höre auf, wenn du satt bist. Egal, ob deine Freunde und Kollegen noch weiteressen.
Du solltest dich nicht mit anderen vergleichen und dadurch deine Ernährung anpassen. Jeder Körper hat einen anderen Stoffwechsel, jeder Mensch einen ganz anderen Tagesablauf.
Vielleicht hat deine Freundin heute Morgen drei Brötchen samt Eiern und Speck gefrühstückt und möchte daher gerade lieber nur einen Salat.
Du musst auch weder deinem Partner noch einem Date etwas vormachen, indem du nur an der Selleriestange knabberst, statt den Abend in vollen Zügen zu genießen und doch die Pizza zu bestellen. Ich versichere dir: Dein Gegenüber wird gar nicht wahrnehmen, was oder wie viel du isst, weil es interessantere Dinge über dich zu erfahren gibt.
Und auch beim gemeinsamen Abendessen mit deinen Freunden steht Genuss an erster Stelle. Schmecke jeden Bissen und lasse dir richtig Zeit. Dann ist der Topf vor dir wahrscheinlich immer noch sehr verlockend, aber dein Sättigungsgefühl wird dich von einem unnötigen Nachschlag bewahren.
Gemeinsames Essen ist toll! Manchmal nimmt das jedoch Einfluss auf unser Essverhalten. Doch mit dem bewussten Auseinandersetzen mit der jeweiligen Situation kannst du ganz leicht gegen wirken. Ich hoffe, ich konnte dir ein paar Impulse zu mehr Achtsamkeit mit auf den Weg geben und bin nun auf deine Meinung gespannt: Wie beeinflusst gemeinsames essen dein Ernährungsverhalten?