Geduld ist eine Tugend, oder? In unserer Gesellschaft ist diese Eigenschaft jedoch nicht mehr besonders stark vertreten. Dabei kannst du ohne Ausdauer und Geduld kaum ein langfristiges Ziel erreichen, wie beispielsweise eine Gewichtsabnahme oder eine Ernährungsumstellung. Ich zeige dir, wie Geduld dein Leben in vielen Bereichen beeinflusst und wie du üben kannst, Geduld zu lernen.
Abnehmen ist kein Sprint, sondern ein Marathon. Ein Marathon kostet Zeit, du musst durchhalten, Ausdauer beweisen und akzeptieren, dass der Weg das Ziel ist.
Zugegeben, diese Aussage ich nicht neu. Doch gerade beim Thema Abnehmen oder Ernährungsumstellung ist Geduld ein unglaublich wichtiger Faktor. Aber oft ist Geduld eben auch die Fähigkeit, die wir nicht so richtig besitzen.
Auch ich selbst hadere immer wieder damit. Ich will schnell Ergebnisse sehen und nicht lange warten müssen. Wie oft habe ich aufgegeben, weil ich einfach keine Lust mehr hatte. Das Ergebnis: Ich stand wieder an genau dem gleichen Punkt wie zu Beginn.
Dabei ist es kein Wunder, warum wir nicht geduldig sind. Wir leben heute in einer sehr schnelllebigen Gesellschaft, in der wir so ziemlich alles per Knopfdruck haben können.
Ein paar Klicks im Internet und schon morgen ist das Paket im Briefkasten.
Sehen wir uns das Beispiel Kleidung an. Während du heute einfach online dein Kleid aussuchst und bestellst, musstest du früher zunächst einen Stoff aussuchen, dich für ein Schnittmuster entscheiden und dann geduldig abwarten, bis dein Schneider deine Wünsche umgesetzt hat. Heute ist dieser langwierige Prozess kaum vorstellbar!
Müssen wir doch auf etwas über einen langen Zeitraum hinarbeiten, wie zum Beispiel beim Thema Abnehmen, fällt es uns umso schwerer, da wir es nicht mehr kennen zu warten.
Doch was ist Geduld eigentlich genau, warum sind manche Menschen geduldiger als andere und ist es möglich die Fähigkeit, geduldig zu sein zu erlernen?
Laut Definition ist es die Fähigkeit zu warten und währenddessen die eigenen Bedürfnisse zurückzustellen. Geduldige Menschen zeigen ein großes Durchhaltevermögen und verspüren währenddessen keine oder kaum negative Emotionen. Sie erbringen Leistung, ohne dass sie direkt einen Fortschritt oder gar Ergebnisse sehen.
Gehörst du nicht zu den geduldigen Personen, dann kämpfst du innerlich wahrscheinlich mit einem Konflikt zwischen der Gegenwart und der Zukunft. Du musst jetzt eine Leistung erbringen oder eine Veränderung annehmen, deren Erfolg du erst in ein paar Wochen, ein paar Monaten oder vielleicht auch erst in ein paar Jahren sehen wirst.
Dabei willst du jetzt von dieser Leistung profitieren, damit es dir in diesem Augenblick gut geht.
Vor allem beim Thema Ernährung ist dieser innere Konflikt oft sehr stark ausgeprägt. Du stellst jetzt deine Ernährung um, kombinierst das eventuell mit Sport, doch die Ergebnisse sind erst nach einer ganzen Weile sichtbar – falls du nicht vorher schon frustriert aufgibst.
Geduld ist daher eine Fähigkeit, die uns bei solchen Vorhaben enorm weiterhelfen kann.
Zum einen können wir langfristige Ziele verfolgen und haben Vertrauen, dass wir diese auch tatsächlich erreichen.
Zum anderen sind geduldige Menschen auf ihrem Weg zum Ziel deutlich entspannter und haben ein stabiles Nervenkostüm. Sie setzen sich selbst nicht so stark unter Druck.
Um zu verstehen, warum einige Menschen geduldiger sind als andere und ob bzw. wie sich diese Fähigkeit im Laufe des Lebens auch verändern kann, schauen wir uns zunächst den Aufbau unseres Gehirns an.
Es gibt zwei Bereiche, die unser Handeln im Wesentlichen steuern und damit entscheiden, wie geduldig wir sind.
Limbisches System
Das erste Areal ist das limbische System, das bereits von Geburt an aktiv ist. Dieser Bereich reagiert besonders stark auf äußere Reize. Siehst du beispielsweise ein schmackhaftes Essen oder riechst den leckeren Duft, dann reagierst du instinktiv und möchtest es sofort habe.
Das limbische System ist nämlich dafür verantwortlich, unsere biologischen Grundbedürfnisse zu stillen und Essen gehört natürlich dazu.
Präfrontaler Kortex
Der zweite Bereich ist der sogenannte präfrontale Kortex, der bei der Geburt noch nicht aktiv ist. Dieses Areal reift, während wir heranwachsen.
Der präfrontale Kortex ist für das bewusste Handeln verantwortlich. Du reflektierst und entscheidest dich gezielt für eine Handlung. Du wägst die Konsequenzen ab und weißt, was dich in einigen Wochen oder Monaten dadurch erwartet. Dieses Areal ermöglicht es dir langfristig zu planen und demnach ausdauernd zu handeln.
Wie viel Geduld du nun an den Tag legst, hängt daher stark davon ab, welches dieser Areale aktiver ist.
Lange Zeit ist man davon ausgegangen, dass diese Aktivität bzw. die Ausprägung der Areale angeboren ist. Heute weiß man jedoch, dass es zwar eine genetische Prädisposition gibt, allerdings wird unser Gehirn auch stark durch Erfahrungen und Erlebnisse geprägt, was vermutlich entscheidender ist.
Daher sind zunächst unsere Erfahrungen in der Kindheit und Jugend von Bedeutung, da diese darüber entscheiden, ob wir viel oder wenig Geduld lernen.
Wie sind deine Eltern mit deinen Wünschen umgegangen? Durftest du die Schokolade direkt nach dem Einkaufen essen oder musstest du – trotz Tobsuchtsanfall mitten im Supermarkt – warten, bis du zu Hause warst?
Durftest du dich in Ruhe entfalten? Haben deine Eltern geduldig zugesehen, wie du deine ersten Versuche mit der Bastelschere gemeistert hast oder haben sie dir die Arbeit ungeduldig abgenommen, damit du schneller an dein Ziel kommst?
Je mehr Geduld deine Eltern in deiner Erziehung gezeigt haben, desto mehr Geduld hast du während dieser Zeit selbst gelernt.
Auch im jugendlichen Alter beobachtest du dein Umfeld. Sparen deine Freunde geduldig auf das neue Smartphone, das sie sich wünschen oder nutzen sie andere Wege, um es schneller kaufen zu können?
Wie schon zu Beginn erwähnt, leben wir in einer Gesellschaft, in der Geduld nicht mehr unbedingt als Tugend angesehen wird. „Sofort kaufen“ ist immer eine Option, die dich wahrscheinlich ebenfalls stark prägt.
Doch dein Gehirn ist nie fertig entwickelt – Stichwort Neuroplastizität. Das bedeutet, genau wie unser Körper verändert sich auch unser Gehirn, je nachdem wie wir es einsetzen.
Trainierst du ganz stark deine Arme, wirst du definierte und sichtbare Muskeln entwickeln – vielleicht nie wie Arnold Schwarzenegger, weil deine Prädisposition das nicht vorsieht. Trotzdem entwickeln sich deine Muskeln unter stetigem Training weiter.
Das Gleiche gilt für unser Gehirn. Auch wenn dir Geduld buchstäblich nicht in die Wiege gelegt wurde, kannst du mit ein wenig Übung deinen präfrontalen Kortex trainieren und in Zukunft mit mehr Geduld an deine Pläne gehen.
Geduld kannst du lernen! Mit diesen drei Übungen stärkst du deinen präfrontalen Kortex und somit deine Geduld, was dir gerade bei einer Gewichtsveränderung oder Ernährungsumstellung enorm hilft:
Die Visualisierung ist unheimlich mächtig. Wenn du genau vor Augen hast, was du mit einem bestimmten Vorhaben erreichen möchtest, ist es viel wahrscheinlicher, dass du unterwegs nicht aufgibst.
Nehmen wir das Beispiel Gewichtsreduktion bis zur Hochzeit. Visualisiere dein Ziel im Detail: Wie wirst du an deinem großen Tag aussehen? Wie wirst du dich in deinem Kleid oder deinem Anzug fühlen und wie wird sich das auf deine Ausstrahlung auswirken? Wie werden deine Freunde und Familie an diesem Tag auf dich reagieren und wie wird sich das für dich anfühlen? Male dir deinen Hochzeitstag so detailgenau wie möglich aus.
Je realistischer das Szenario in deiner Vorstellung ist, desto eher glaubst du daran, dass du es auch erreichen kannst. Die Belohnung wird somit greifbar und attraktiv, wodurch es dir leichter fällt geduldig durchzuhalten.
Du kannst im Alltag üben, auch einfache Bedürfnisse hinauszuzögern. Greifst du vielleicht über den Tag verteilt viel zu häufig zum Handy und möchtest das ändern?
Auch der Blick aufs Smartphone ist eine Belohnung. Vielleicht hast du eine neue Nachricht oder dein Bild auf Instagram gefällt wieder einer Person mehr?
Versuche doch mal, nicht direkt dein Handy in die Hand zu nehmen, wenn du wieder diesen Gedanken hast. Es reicht auch, es erst in 30 Minuten, einer Stunde oder vielleicht sogar noch später zu machen.
Das schult deine Geduld, wovon du auch in anderen Lebensbereichen profitierst.
Das große Ziel ist häufig sehr weit weg. Zehn Kilo weniger zur Hochzeit im nächsten Jahr – das ist heute nicht besonders greifbar. Es kann dich mit der Zeit frustrieren, wenn diese Zahl nicht sofort auf deiner Waage erscheint.
Daher ist es wichtig, auch Teilziele und -erfolge zu feiern. Ist es dein Ziel, dein Smartphone nur alle zwei Stunden in die Hand zu nehmen, dann kannst du dich auch darüber freuen, dass du es jetzt schon alle 30 Minuten benutzt. Möchtest du dein Gewicht reduzieren oder zunehmen, dann feiere jedes Kilo.
Du hast nicht versagt, nur weil das Endergebnis nicht auf Anhieb da ist! Sei positiv zu dir selbst, das steigert deine Selbstwirksamkeit und die Wahrscheinlichkeit, dass du es geduldig bis zu deinem Endziel durchhältst.
Erinnere dich an mein Beispiel vom Marathon. Natürlich freust du dich, wenn du über die Ziellinie läufst. Aber ein Marathon macht so viel mehr mit dir!
Du intensivierst dein Training, schaffst erstmals Strecken, die du zuvor nicht mal in Betracht gezogen hat. Du hast gute Tage, aber auch schlechte Tage und lernst dich im Prozess viel besser kennen.
Und das ist letztendlich so viel mehr wert, als nur der kurze Moment, wenn du über die Ziellinie läufst.
Wenn du lernst, geduldig mit dir zu sein, wirst du das auch bei deiner Ernährungsumstellung merken.
Du wirst bewusst hinterfragen, warum du jetzt isst, obwohl du gar nicht hungrig bist. Oder dir eine leckere Mahlzeit zubereiten, wenn dir der Magen knurrt.
Du wirst viel besser verstehen, was du eventuell mit deinem Essverhalten kompensierst, mit welchen Bereichen in deinem Leben du nicht zufrieden bist und dich mit der Zeit intensiver damit befassen.
Vielleicht brauchst du das Essen dann langfristig auch nicht mehr als Lösung. Das wird letztendlich viel mehr Wert sein, als die Zahl auf deiner Waage.
Bist du geduldig mit dem Prozess, nimmst du also viel bewusster wahr, welche Ziele du unterwegs schaffst und wie sehr du an der Sache wächst.
Daher möchte ich dir an dieser Stelle sagen: Lass‘ die Finger vom Sprint! Wähle lieber den Marathon, denn der Weg ist es definitiv wert!
Geduld ist also eine unheimlich wertvolle Ressource! Gerade, wenn es um unseren Körper oder Veränderungen im Essverhalten geht.
Das geht nicht von heute auf morgen, solche Transformationen brauchen Zeit. Gibst du dir diese Zeit nicht, wirst du früher oder später den Kopf wahrscheinlich wieder in den Sand stecken und am Anfang stehen.
Das Motto lautet also: Trainiere deinen präfrontalen Kortex und lerne Geduld.
Auf den ersten Blick hat dieses Thema vielleicht nicht viel mit der Ernährung zu tun. Doch ich hoffe, dass du nun verstehst, wie wichtig diese Fähigkeit ist, wenn man langfristige Ziele wie eine Gewichtsabnahme oder eine Ernährungsumstellung erlernen möchte.
Doch ein Hinweis noch zum Schluss: Es braucht auch Geduld, um Geduld zu lernen!
Sei also nicht frustriert, wenn es mit der Geduld nicht auf Anhieb klappen will, sei geduldig mit dir, die Belohnung wird früher oder später eintreten – versprochen!
Ich hoffe, ich konnte dir eine Anregung geben, deinen eigenen Geduldsfaden zu prüfen und vielleicht helfen dir meine Tipps dabei, dein Gehirn ein bisschen mehr in Richtung Geduld zu trainieren. Hast du noch weitere Tipps für uns, um Geduld zu lernen? Dann freue ich mich auf deinen Kommentar!
4 Comments
Genau das richtige Thema für mich momentan! Ich habe früher schon mehrmals größere Mengen abgenommen mit viel Durchhaltevermögen. Leider haben sich die Pfunde zwischenzeitlich wieder angesammelt und irgendwie schaffe ich es in meinen Vorhaben nicht mehr so ausdauernd zu sein wie früher.
Ich glaube durch diesen Artikel habe ich meinen Engpass erkannt. Ich bin super ungeduldig geworden (Handy und co sei dank).
Also vielen Dank für den Beitrag, ich glaub mir ist grad bewusst geworden an welcher Baustelle ich arbeiten Darf!
Danke dir Bastienne, du machst einen tollen Job!
Hallo liebe Steffi,
schön, dass das Thema offensichtlich genau zur richtigen Zeit kommt 🙂
Ich hoffe, dass die Inhalte dir weiterhelfen können und du deine Geduld somit wieder schulen kannst!
Ich wünsche dir alles Gute für deinen Weg und schicke liebe Grüße,
Bastienne
Hallo liebe Bastienne,
Vielen Dank für diesen tollen Beitrag! Ich möchte aktuell eigentlich nur zwei/drei Kilo verlieren um mich wohler zu fühlen, aber wie du auch schon in deinem Podcast über die Waage gesagt hast, erkenne ich genau dieses Verhalten in mir wieder, ich schaffe es einfach nicht mich nur einmal täglich zu wiegen weil ich einfach so ungeduldig bin. Mit deinen Tipps versuche ich das jetzt einmal auch auf meinen Handykonsum umzusetzen und mich auch nur morgens auf die Waage zu stellen.
Denn wie du immer so schön sagst – wenn ich mich gesund ernähre, wird sich das Ergebnis auch irgendwann zeigen.
Liebe Janina,
vielen Dank für deinen lieben Kommentar.
Ich wünsche dir ganz viel Erfolg beim Umsetzen deines Vorhabens, es lohnt sich definitiv sich damit mal auseinandergesetzt (auch wenn es anfangs Herausfordernd sein kann).
Ich schicke dir ganz liebe Grüße,
Bastienne