Heimliches Essen ist noch immer ein absolutes Tabuthema. Dabei ist es gerade bei diesem Essverhalten wichtig, offen darüber zu sprechen. Daher informiere ich dich über die Folgen, die heimliches Essen nach sich zieht und gebe Tipps, wie du dieses Ernährungsverhalten in kleinen Schritten ändern kannst.
Vielleicht kennst du die Situation: Du bist mit deinen Freunden beim Italiener, alle bestellen hungrig Pizza und Pasta, aber du bleibst beim Salat. Ist ja schließlich auch lecker! Doch Zuhause angekommen holst du das nach, was du dir zuvor untersagt hast und plünderst den Kühlschrank.
Doch warum tendieren einige Menschen dazu, still und heimlich zu Hause ein ganz anderes Ernährungsverhalten an den Tag zu legen als in der Öffentlichkeit? Warum fühlen sie sich nach einer heimlichen Essattacke schlecht, schämen sich dafür und möchten am liebsten selbst nicht darüber nachdenken?
Das heimliche Essen ist meist ein Tabuthema. Niemand gibt es gerne zu, es wird nicht darüber gesprochen und oft fühlen sich Betroffene damit allein.
Das möchte ich heute ändern, denn diese Ernährungsweise kommt tatsächlich ziemlich häufig vor. Ich werde nicht nur meine eigene Geschichte mit dir teilen, sondern gebe dir auch wichtige Tipps, wie du damit umgehen und dein Essverhalten Schritt für Schritt ändern kannst.
Das heimliche Essen begleitete mich bereits vom Kindesalter an. Früher habe ich recht häufig kleine Snacks und Süßes aus der Küche in mein Kinderzimmer geschmuggelt.
Was im Kindesalter noch normal ist – wer will nicht lieber ein paar Süßigkeiten statt einem Apfel essen – hat sich bei mir mit zunehmendem Alter immer stärker ausgeprägt. Zuhause habe ich weiterhin Leckereien in meinem Zimmer gebunkert, die Verpackungen habe ich aber lieber außer Haus entsorgt, um keinen Verdacht zu schöpfen.
Auch unter Freunden konnte ich nur selten ehrlich sein. Durch meinen Sport galt ich immer als „die Sportliche, die Disziplinierte“ und dieses Image wollte ich unbedingt behalten! Auch nach meinem Kreuzbandriss, als ich durch das sportliche Defizit einige Kilos zugenommen habe, wollte ich, dass meine Freunde mich weiterhin für die Gesundheitsbewusste hielten, die ich so gern sein wollte.
In der Öffentlichkeit war das auch kein Problem. Ich habe gern den Salat bestellt und das Lob der anderen dafür genossen. Doch die Realität daheim sah anders aus. Der Kühlschrank war voll mit all den Dingen, die ich mir in der Öffentlichkeit versagte.
Ich ging sogar so weit, meine Küchenschränke entsprechend zu ordnen, damit meine Vorräte nicht auf den ersten Blick sichtbar sind. So habe ich sichergestellt, dass auch meinem Besuch nicht auffällt, dass mit meinem Essverhalten etwas ganz und gar nicht stimmt. Denn die Angst vor Verurteilung hat mich ebenfalls immer begleitet.
Diese Taktik ging jahrelang gut, auch wenn mein Essverhalten immer merkwürdiger und abgedrehter wurde. Sogar ich selbst habe mir meine Fassade geglaubt und mich gewundert, warum ich nicht abnehme, wo ich doch ständig nur Salat esse?
Durch heimliches Essen verändert sich mit der Zeit dein Wohlbefinden und dein ganzes Essverhalten, was auch eine Gewichtszunahme zur Folge haben kann. Das liegt vor allem an zwei Gründen:
Psychischer Druck durch Geheimnisse
Heimliches essen belastet! Du fühlst dich nicht nur allein, sondern auch ständig unter Druck. Dein Geheimnis willst du für jeden Preis wahren. Dafür nimmst du auch Lügen in Kauf, selbst wenn es sich um deinen Partner, deine Freunde oder deine Familie handelt.
Auch mir ging es so: Das regelmäßige Umräumen meiner Küchenschränke war eine vorgegaukelte Wahrheit.
Doch Lügen und Geheimnisse haben großen Einfluss sowohl auf unser psychisches, als auch physisches Wohlbefinden. Das hat die Psychologin Anita Kelly in einer Studie bewiesen.
Sie hat zwei unterschiedliche Gruppen gebildet. Dabei sollte die Gruppe A zehn Wochen lang auf sämtliche Lügen und Unwahrheiten verzichten. Die kleine Alltagslüge war ebenso tabu wie die höfliche Notlüge. Die andere Testgruppe B sollte an ihrem Verhalten nichts ändern.
Während der Testphase wurden einmal wöchentlich unterschiedliche psychologische Daten gesammelt.
Das Ergebnis: Die Teilnehmer aus Gruppe A, also der Gruppe, die auf sämtliche Unwahrheiten verzichten sollte, waren deutlich entspannter und zeigten ein viel besseres psychologisches wie auch körperliches Wohlergehen im Vergleich zu den Teilnehmern der Gruppe B.
Durch das heimliche Essen und die damit verbundenen Lügen setzt du dich dauerhaft enormen Stress aus – und dass sich dieser auch auf das Essverhalten auswirkt, ist bekannt.
Emotionales Essen, Stress-Essen – du möchtest negative Gefühle kompensieren und isst dadurch tendenziell mehr. Der Teufelskreis ist damit eröffnet!
Fehlende Achtsamkeit
Auch die fehlende Achtsamkeit beim heimlichen Essen ist ein Grund, warum sich das ganze Essverhalten ändert und Betroffene oft zunehmen.
Achtsames Essen beschreibt das bewusste Essen. Du widmest dich voll deiner Mahlzeit, lässt dich nicht durch Smartphone und Co. ablenken und konzentrierst dich bewusst auf deine Mahlzeit. So kannst du auch deutlich besser die körperlichen Signale wahrnehmen, zum Beispiel wenn du satt bist.
Beim heimlichen Essen hast du dafür aber keine Zeit. Die Angst, erwischt zu werden – egal ob real oder nicht – isst immer mit. Du versuchst zusätzlich, deine Scham- und Schuldgefühle zu verdrängen. Für Achtsamkeit bleibt daher kein Raum und du ignorierst gekonnt die Stoppsignale deines Körpers.
Oft verfallen Betroffene auch in den sogenannten Bunker-Modus: Sie essen viel zu große Mengen, als eigentlich gerade nötig. Denn der Moment der Ungestörtheit will ausgenutzt werden. Vielleicht steht bald wieder ein Treffen mit Freunden und Familie an, da muss man sich wieder zurücknehmen. Es wird also auf Vorrat gegessen.
Wie bei jeder Veränderung des Essverhaltens gilt: Einfach und schnell geht es nicht. Doch oft ist der erste Schritt der Schwerste, auch beim heimlichen Essen. Denn ich rate dir: Sei ehrlich!
Auch dieses Gefühl ist dir vielleicht bekannt: Du schleppst ein Geheimnis mit dir herum, vertraust dich schließlich jemandem an und ein tonnenschweres Gewicht fällt von deinen Schultern – und das wird auch in dieser Situation so sein.
Das heimliche Essen nimmt einen großen Teil von dir in Anspruch. Ständig drehen sich deine Gedanken darum, du hast Angst, dass es jemand herausfindet und gibst dir anhaltend Mühe, es noch besser zu verstecken.
Das Thema ist daher ständig präsent und du hast weniger Energie, um dich auch mal mit anderen und vor allem schöneren Dingen zu befassen.
Daher rate ich dir dringend: Lüfte dein wohlbehütetes Geheimnis!
Auch ich habe mich irgendwann dazu durchgerungen und meinem Partner das heimliche Essen gestanden. Natürlich habe ich mich bei diesem Geständnis unwohl gefühlt – wer will solche Schwächen vor seinem Partner offenlegen? Aber er hat unglaublich verständnisvoll reagiert und nach einem langen Gespräch ging es mit sehr viel besser. Ich fühlte mich buchstäblich einige Kilo leichter!
Dabei ging es nicht primär darum, dass er Bescheid weiß. Vielmehr habe ich mir mit diesem Schritt selbst eingestanden, dass ich schon jahrelang ein heimlicher Esser bin.
Natürlich musst du dich nicht zwingend deinem Partner öffnen (auch wenn ich das nur empfehlen kann!), du kannst auch jemanden aus deinem Freundes- oder Familienkreis aussuchen, dem du vertraust.
Doch auch das ist manchmal noch zu schwierig, daher möchte ich dir zwei weitere Möglichkeiten aufzeigen:
Forum im Internet
Manchmal ist es einfacher, anonym über seine Probleme zu sprechen. Mittlerweile gibt es zahlreiche Foren im Internet, die sich mit unterschiedlichen Ernährungsthemen befassen. Auch das heimliche Essen wird diskutiert.
Unter anderem kann ich dir auch meine Facebook Gruppe “Ernährungspsychologie leicht gemacht” dafür ans Herz legen. Hier findest du Gleichgesinnte, die ebenfalls an ihrem Essverhalten arbeiten, deine Situation nachvollziehen können und dir gerne mit Rat und Tat zur Seite stehen.
Suche dir daher ein passendes Forum, rede dir dein Geheimnis von der Seele und ich verspreche dir: Du wirst dich viel besser fühlen. Nicht nur, weil du ehrlich warst, sondern weil du auch merkst, dass du damit nicht alleine bist.
Telefonseelsorge
Vielleicht klingt das zunächst befremdlich. Aber auch ein Anruf bei der Telefonseelsorge kann sehr befreiend sein. Du kannst ganz anonym deine Sorgen teilen und dein Gesprächspartner ist nicht nur verständnisvoll, sondern hat vielleicht die ein oder andere Empfehlung für dich.
Egal, welcher Weg für dich die bessere Wahl ist: Geh raus damit und sei ehrlich – vor allem zu dir selbst! Heimliches Essen ist ein Essverhalten, dass du definitiv ändern kannst, wenn du dich bewusst und offen mit diesem Thema auseinandersetzt. Dafür wünsche ich dir alles Gute und falls du heute schon bereit für deinen ersten Schritt bist, dann freue ich mich, wenn du deine Erfahrungen in den Kommentaren mit uns teilst.